In­ter­view: Ener­gie­trä­ger der Zu­kunft

Wasserstoff als neue Aufgabe der Netzagentur.

Wasserstoff

Eva Haupt: "Oberstes Ziel ist es, durch den Einsatz von Wasserstoff CO2 zu reduzieren. Beispielsweise in der Stahlindustrie, die derzeit den Stahl mit CO2-lastigen Energieträgern erzeugt, also speziell Kohle oder Koks. Da kann man sehr effektiv schnell große Mengen an CO2 reduzieren."

Gibt es neben der Industrie weitere Einsatzfelder für Wasserstoff?

Andreas Müller: "Ja. Beispielsweise ist ein großer Anteil des deutschen Eisenbahnnetzes nicht elektrifiziert. Da wird im Moment mit Diesel gefahren, den könnte man perspektivisch mit Wasserstoff ersetzen. Ein anderes Feld: Müllwagen, Busse und dergleichen – also städtische Nutzfahrzeuge. Die lassen sich auch ganz gut mit Wasserstoff betreiben. Das gilt auch für den gesamten Schwerlastverkehr, denn hier ist es schwierig, E-Autos oder E-Lkw einzusetzen. Solche Einsatzgebiete sind naheliegender als eine Wasserstoff-Individualmobilität."

In welchen Gebieten sehen Sie den Einsatz von Wasserstoff eher als Herausforderung?

Frauke Horstmann: "Der Wärmemarkt, also Heizung und Warmwasserversorgung, ist für mich immer noch die große „Glaskugel“. Da stellt sich schon die Frage, wie das in Zukunft laufen wird – eher elektrifiziert oder auch über Wasserstoff? Das ist ein Riesenfeld mit enormer Kleinteiligkeit in Bezug auf die Endgeräte z.B. in Haushalten, wo eben viele Veränderungen notwendig wären."

Andreas Müller: "Wenn man den Wasserstoff im Wärmemarkt einsetzen will, spricht vieles dafür, zum Beispiel Quartierslösungen zu realisieren. Da würde man ein Blockheizkraftwerk mit Wasserstoff statt mit Erdgas befeuern und dann die Kunden mit Nahwärmenetzen daran beteiligen. Das ist energieeffizient und man braucht nur wenige Leitungen. Aber wenn man das heutige Konzept, dass jeder seine eigene Heizung hat, weiterführen würde, dann bräuchte jeder Kunde eine neue Wasserstoffheizung. Da wären erhebliche Investitionen im Haus zu tätigen."

Es gibt verschiedene Arten von Wasserstoff. Welchen möchte die Bundesregierung laut ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie fördern?

Andreas Müller: "Was in der derzeitigen Diskussion unter Wasserstoff verstanden wird und was uns in Bezug aufs Klima am meisten bringt, das ist der grüne Wasserstoff. Der wird durch Elektrolyse von Wasser mithilfe von Strom aus Erneuerbaren Energien hergestellt – das kann nur zum Teil in Deutschland passieren. Dafür bräuchten wir sehr viele Erneuerbare Energien. Perspektivisch muss man darauf vertrauen, dass wir den Wasserstoff im Ausland zukaufen können – so wie wir das jetzt bei Öl oder Gas auch machen."

Welcher Wasserstoff wird derzeit in Deutschland mehrheitlich verbraucht? Grüner?

Frauke Horstmann: "Nein. Zum einen wird Wasserstoff verwendet, der als Nebenprodukt aus chemischen Prozessen entsteht. Zum anderen wird mittels Dampfreformierung gewonnener Wasserstoff verwendet. Das geschieht mithilfe von Erdgas und das dabei entstehende CO2 wird heute in Deutschland nicht in den Boden verpresst – sondern freigesetzt."

Eva Haupt: "Wasserstoff aus Erdgas herzustellen ist perspektivisch keine Lösung. Was passieren könnte, ist, dass wir jetzt eine Wasserstoffwirtschaft und -infrastruktur aufbauen und die Industrie stellt einfach Wasserstoff aus Dampfreformierung her – und gibt somit das CO2 in die Atmosphäre ab. Das wäre der GAU und würde nicht dem Ziel der gewünschten CO2 Reduktion dienen. Da hilft nur ein Zertifizierungssystem, das genau diesen Effekt verhindert und ermöglicht, dass grüner Wasserstoff, der derzeit leider viel teurer ist als der aus Dampfreformierung hergestellte, Priorität hat."

Andreas Müller: "Man muss diesbezüglich natürlich sehen, dass Wasserstoff allgemein teuer ist und wahrscheinlich auch absehbar nicht billig wird. Während Erdgas ein sehr preiswertes Gut ist. Deswegen wird es der Wasserstoff am Anfang schwer haben, wenn man ihn nicht gezielt unterstützt. Die Bundesregierung will 7 Milliarden Euro in Wasserstofftechnologien und den Markthochlauf in Deutschland investieren. 700 Millionen davon allein für Infrastrukturprojekte."

Stichwort Infrastruktur: Das Gasnetz ist sehr gut ausgebaut. Wie soll der Wasserstoff an sein Ziel gelangen?

Frauke Horstmann: "Es gibt bereits eine Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland. Diese ist relativ klein und eher in den Industriegebieten anzutreffen. Derzeit ist in der Diskussion, dass Gasnetze umgestellt werden sollen. Ganz so einfach ist das natürlich nicht. Die Fernleitungsnetzbetreiber haben jetzt zum ersten Mal im Netzentwicklungsplan Gas das Umstellungspotential modelliert. Welche Leitungen müssten umgestellt werden, damit bestimmte Wasserstoffprojekte angeschlossen werden können? Und was muss dazu technisch alles bedacht werden? Dazu gibt es viele Forschungsprojekte, das Ganze ist laut Fernleitungsnetzbetreiber auch machbar. Wir sind gespannt, wie sich die tatsächliche Umsetzung gestaltet."

Das klingt nach einer Menge Arbeit – und somit nach Kosten. Wer soll diese tragen?

Eva Haupt: "Wer bestellt, soll auch bezahlen. So lautet zumindest unsere Prämisse. Also die großen Industriekunden, die Wasserstoff haben wollen, sollen die Adressaten sein, die diese Umwidmung und die Kosten für die Infrastruktur zahlen. Das ist am Anfang natürlich problematisch, weil es nur wenige Kunden gibt. Deshalb wird es notwendig sein, dass diese Infrastrukturen gefördert werden. Diese Förderung soll erreichen, die Kosten so angemessen zu halten, dass sich überhaupt ein Markthochlauf für Wasserstoff entwickeln kann. Von der Erzeugung über den Transport bis hin zur Verwendung: Hier werden überall massive Investitionen nötig sein. Da ein Industriebetrieb jeden Euro nur einmal ausgeben kann, ist es jetzt wichtig, die richtigen Anreize zur Investition in zukunftsfähige Erzeugung von Wasserstoff zu setzen."

Andreas Müller: "Das ist genau der Punkt. Solange man Alternativen hat, die günstiger sind – und das ist Erdgas und das war bisher Kohle – scheut jeder hohe Anfangsinvestitionen. Deshalb ist es meiner Meinung nach notwendig, dass man hier diese Anschubfinanzierung gewährleistet."

Welche Rolle spielt die Bundesnetzagentur beim Thema Wasserstoff?

Frauke Horstmann: "Wir sind eine Regulierungsbehörde und haben an den regulatorischen Vorgaben zum Thema Wasserstoff mitgearbeitet. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es einen diskriminierungsfreien Zugang zum Wasserstoffnetz gibt. Zum einen ist Transparenz in Bezug auf die sich neu entwickelnden Netze essentiell, Zum anderen angemessene Entgelte. Somit wirken wir einer Monopolstellung der Netzbetreiber entgegen."

Andreas Müller: "Für die Netzagentur ist dieses Vorgehen ein Novum: Wir fangen an, über die Regulierung eines Marktes zu sprechen, bevor es den Markt überhaupt gibt. Der derzeitige Markt für Wasserstoff ist ja sehr klein. Der spielt sich zwischen ganz wenigen Anbietern und Nachfragern ab. Und bei denen gibt es keine Probleme, für welche sie eine Regulierungsbehörde brauchen würden."

Warum ist es dann überhaupt wichtig, dass sich die BNetzA einmischt?

Andreas Müller: "Unsere Aufgabe liegt in diesem Fall eher darin, eine gewisse Planungssicherheit zu schaffen und zu helfen, die Unsicherheit im Markt zu beheben. Da geht es eher um eine prophylaktische Tätigkeit."

Eva Haupt: "Dabei wollen wir versuchen, Chancengleichheit zu erreichen – auch beim Transport. Ziel ist es, dass es eben nicht nur die etablierten Netzbetreiber sind, die sich in diesem Feld behaupten können, sondern dass tatsächlich Chancengleichheit herrscht und auch neue Akteure in den Markt eintreten können."

Eine abschließende Frage: Haben Sie als Vertreter der Netzagentur noch eine letzte Botschaft zum Thema Wasserstoff?

Eva Haupt: "Wir sollten jetzt zügig da mit dem Wasserstoff ansetzen, wo die Wirkung am größten ist. Also prioritär dort, wo tatsächlich am meisten CO2 reduziert werden kann – beispielsweise in der Stahl- oder Chemieindustrie. Zudem ist Transparenz bei der Wasserstoffinfrastruktur ein großer Aspekt. Nur, wenn die Netzkunden wirklich wissen, welches Netz es wo gibt, und welches Netz es in zwei, fünf oder acht Jahren geben wird, kann sich überhaupt etwas entwickeln. Wir wollen dazu beitragen und den Stein ins Rollen bringen!"

Weitere Informationen finden Sie unter www.bundesnetzagentur.de/Wasserstoff
 

Eva Haupt
ist seit 2006 bei der Bundesnetzagentur. Seit 2010 arbeitet sie in dem Referat "Zugang zu Gasfernleitungsnetzen, Internationales, Netzentwicklung Gas, Versorgungssicherheits-Monitoring, EU-Angelegenheiten Gas".
Frauke Horstmann
ist seit 2017 bei der Bundesnetzagentur. Seit Anfang 2019 arbeitet sie im Referat "Zugang zu Gasfernleitungsnetzen, Internationales, Netzentwicklung Gas, Versorgungssicherheits-Monitoring, EU-Angelegenheiten Gas".
Andreas Müller
ist seit 2010 bei der Bundesnetzagentur und seitdem im Referat für den "Zugang zum Gasverteilernetz, technische Grundsatzfragen, Versorgungsqualität".
Wasserstoff kurz erklärt
H2 ist ein farb- und geruchloses Gas. Wasserstoff liegt immer gebunden vor, beispielsweise in Form von Erdgas (CH4) – aber vorwiegend in Form von Wasser (H20). Um Wasserstoff herzustellen, muss das Wasserstoffmolekül abgespalten werden. Das kostet viel Energie!
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